Vom Glück, lernen zu dürfen

9. November 2014 Kommentare deaktiviert für Vom Glück, lernen zu dürfen

Regenbogen-Truppe_klein  Andrea Hirata

 Die Regenbogen-Truppe

 Hanser Berlin, 2013

 Geb, 19,90 Euro

Eigentlich ist die Dorfschule „Muhammadiyah“   auf der indonesischen Insel Belitung nur ein besserer Bretterverschlag. Aber hier treffen zehn Schüler Tag für Tag ihre charismatischen Lehrer Pak Harfan und Bu Mus. Nichts soll die Kinder von Fischern und Minenarbeitern auf ihrem Weg zu einem besseren Leben aufhalten, nicht die bittere Armut, nicht der feindselige Schulinspektor, nicht die landgierige Minengesellschaft und nicht einmal die Krokodile, die am Schulweg lauern. Im Gegenteil, alle Widrigkeiten schweißen die Schüler nur enger zusammen, zur „Regenbogen-Truppe“.

Ich habe diesen autobiografisch gefärbten Roman eines indonesischen Autors mit Spannung und Sympathie verschlungen; ich litt, hoffte und lachte mit diesen Kindern. Und nachdenklich wurde ich beim Lesen: Wie sehr gerät in unserer Ecke der Welt im Gerangel und Gemurre um Schule das Wesentliche in den Hintergrund: das große Glück und Vorrecht, lernen zu dürfen.

„Meine arme Lehrerin. Ich schwor mir, dass ich eines Tags ein Buch schreiben würde, um ihr für alles, was sie für uns tat, zu danken.“ Der Autor Andrea Hirata hat mit diesem Roman sein Versprechen umgesetzt und damit eines der erfolgreichsten Bücher Südostasien verfasst. Allein in Indonesien wurde es fünf Millionen Mal verkauft.

„Gegen zwei Dinge sind wir alle machtlos, Gott und die Presse“; seufzt im Roman ein Minenboss. Was die Presse betrifft, übertreibt er maßlos. Doch falls diese Besprechung hier dem Buch ein paar Leser mehr verschafft, würde es mich freuen. Vor allem für die Leser.

Die Wellness-Lüge, Teil 1

12. Juli 2014 Kommentare deaktiviert für Die Wellness-Lüge, Teil 1

Das Glück aus der Käsetheke

Unsere Gesundheit liegt den Glückspropheten besonders am Herzen. Ich verstehe das, hier werden Euro-Milliarden umgesetzt, von denen andere Gurus nur träumen können.
Ein zentrales Schlagwort solcher Glücksindustrie kennen wir alle: Wellness.
Aber was ist damit wirklich gemeint? Auf Neugierige warten eine unbequeme Wahrheit und ein realistischer Weg.
Wellness bezeichnet heute alles Mögliche, Wellness klebt als Etikett auf Käse und Wurst, auf Ölmassage und Schlammbad, auf Wimpern-Auszupfen und Botox-Spritzen.
Beim Vergleich entdeckt man schnell den Kernpunkt fast aller Angebote: Werde zum Säugling! Lasse dich verwöhnen! Lasse dich füttern, baden und eincremen! Genuss ist, wenn man andere machen lässt.
Gesundheit und Wohlsein durch Hinlegen und Fressen? Das ist natürlich alles Quark – Wellness-Quark sozusagen, dämliches Geblödel von Werbe-Fuzzis. Doch es zieht, ganze Kliniken, Kurorte und Wurstfabriken leben davon.
Das ist die schlechte Nachricht.
Die gute Nachricht schicke ich gleich hinterher: Wellness ist besser als ihre Propheten.
Die us-amerikanischen Erfinder meinten mit Wellness das geglückte Zusammenspiel aus Well Being und Fitness, also aus Wohlbefinden und Fitness. Manchmal mischten sie als dritte Komponente noch Happiness dazu, das Glücklichsein. Sie fanden heraus, wie eng diese zwei oder drei Begriffe zusammenhängen.

Die Wellness-Lüge, Teil 2

12. Juli 2014 Kommentare deaktiviert für Die Wellness-Lüge, Teil 2

Teil 2: Selbermachen macht sich besser
Entgegen den Schwindlern, die Wellness als Faulenzen und sich Fütternlassen verkaufen, ist „Wellness“ ursprünglich anders gemeint Wellness ist der Zustand aus Wohlbefinden und Fitness (Well-being plus Fit-ness = Well-ness). Das Eine führt zum Anderen. Fit, zum Beispiel, wird man nicht von alleine, man darf etwas dafür tun. Andererseits wird der Einsatz belohnt. Ein hartnäckiges und sensibles Training der körperliche Fitness steigert nicht nur die Gesundheit und schenkt nicht nur genussvolle Körperwahrnehmung. Dranbleiben am Training führt zu einem zentralen Anliegen von Psychotherapie, nämlich zu der Erfahrung von „Selbstwirksamkeit“: Ich kann etwas erreichen und merke, dass es mir dabei besser geht.
Doch der Trend geht kräftig in die andere Richtung. Die Wirtschaft liebt uns als passive Konsumenten, sie stellt die Weichen in Richtung Bespaßungs-Gesellschaft. Wir lassen uns berieseln und amüsieren, bis wir uns zu Tode gelangweilt haben.
Man lese ruhig nach, was ein Miterfinder der Wellness, Dr. Donald B. Ardell, auf der Seite des Deutschen-Wellness-Verbandes Kritisches zur Wellness-Welle sagt – und vergesse dabei nicht, dass viele Verbandsmitgliedes am Trend zur Wellness-Bespaßung und Wellness-Fütterung kräftig mitverdienen. Sogar Ardell selbst verkauft auf seiner Internetseite seekwellness.com unter anderem Inkontinenz-Slips als Wellness-Accessoire. Das sind zwar wertvolle Artikel, aber ob der Geschäftsmann Ardell den Medizinmann Ardell da richtig verstanden hat, soll jeder selber beurteilen.
Wellness ist also ein medizinischer Begriff, der sich nicht mehr aus dem Klammergriff der Konsum- Bespaßungs-Gesellschaft herauslösen kann.
Wer nach dem besseren Leben sucht, geht vielleicht besser zu den Ursprüngen von Wellness zurück.

Buchtipp von Dagmar Volger

11. Juni 2014 Kommentare deaktiviert für Buchtipp von Dagmar Volger

„Glücklich die Glücklichen“
Roman von Yasmina Reza. Alltag, verunglückt oder auch nicht, das Normale, manchmal schwer erträgliche, Leben eben, Glück.

Selbstoptimierung? Ne, danke!

9. Juni 2014 Kommentare deaktiviert für Selbstoptimierung? Ne, danke!

„Ich bleib so scheisse, wie ich bin“

Ich sah im Herbst 2013 das Buch auf dem Neuheiten-Tisch und schrie innerlich „ja!!“. Zack, Liebe auf den ersten Blick, Treffer/versunken.
„Ich bleib so scheisse, wie ich bin“ ist ein Beststeller, der seinen Erfolg verdient hat. Schon der Titel schafft Luft. Die Autorin landet einen rotzfrechen Befreiungsschlag gegen alle diejenigen, die uns einreden wollen, wir wären nicht gut genug, nicht schön genug und wir würden nicht genug aus unserem Leben machen.
Der Name der Autorin ist schwierig, man lese ihn zweimal und langsam: Rebecca Niazi-Shahabi. Das klingt nach Multi-Kulti, nach deutsch-israelisch-iranischen Wurzeln, und das stimmt und ist gut so. Diese Frau hat den Blick über den europäischen Tellerrand hinweg. Sie erinnert daran, dass die westliche Kultur der Selbstoptimierung schnell das vergessen lässt, worauf es ankommt: das Leben im Hier und Jetzt und mit den Menschen, die uns wichtig sind.
Allerdings hat sich meine Liebe auf den ersten Blick beim Lesen leicht abgekühlt. Zu viele Allgemeinplätze, zu viele Ratschläge, zu viel Besserwissen. Trotzdem: „Ich bleib so scheisse, wie ich bin“ empfehle ich als eine schmackhafte Medizin gegen das grassierende Robert-Betz-Fieber. Danke schön, Rebecca Niazi Shahabi!

Es ist sooo einfach…

21. Januar 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

 
Jeder Mensch kann sich ganz bewusst für ein glückliches Leben entscheiden. Das behauptet ein Großmeister der Branche, Robert Betz.

Er fragt mich, ob ich normal sein will oder glücklich. Ja, da fällt mir die Entscheidung nicht schwer! Schon der Klappentext seines Buches verrät:
„Alles, was uns unglücklich macht, fällt von uns ab, wenn wir erkennen, dass wir wirklich die Wahl haben.«
Ach ja?
Genau an der Überdosis überzüchteter Glückserwartungen kranken wir. Glücksverkäufer aller Art pumpen uns damit voll. Im Ergebnis schaden sie manchen Menschen heftiger als ein Taschendieb.  Denn ein Taschendieb nimmt nur die Brieftasche, aber Glücksverkäufer verschaffen sich eine Art Einzugsermächtigung – für Konten und für Seelen.
»Hallo, du kannst per Beschluss und Knopfdruck zu einem anderen Menschen werden!« Versprechungen wie diese können wie Drogen wirken. Man zieht sie sich rein und schwebt auf rosa Wolken. Das Paradies scheint zum Greifen nahe. Doch die Bruchlandung kommt. Kein Rausch ohne Kater. Je höher die Erwartungen geschraubt werden, umso größer fallen die Enttäuschungen aus.

Man könnte sich wundern: Was ist bloß mit uns los?

21. Januar 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

 
Ein Glücks-Guru nach dem anderen geistert durch Talkshows, füllt Vortragssäle, verkauft massenhaft DVDs und Bücher – und wir sind immer noch nicht glücklich.
Warum klappt es nicht mit dem runderneuerten Leben? Warum muss ein Glücksguru noch ein sechstes, siebtes oder achtes Buch schreiben, warum reicht nicht das erste? Jeder vernünftige Mensch kommt mit etwas Nachdenken auf eine einfache Antwort: weil weder das erste noch das siebte Buch etwas taugt.
Aber es geht nicht um Vernunft. Es geht um tiefsitzende Gefühle, die von den Heilspredigern verstärkt und genutzt werden.
Die meisten dieser Herrschaften wecken zu dem Zweck Erwartungen, die sie nicht halten können. Das ist gut für den Umsatz, aber schlecht für die Anhänger.
Typische Glücks-Ratgeber versprechen nicht nur das Blaue vom Himmel. Sie versprechen gleich den Himmel selbst. Glücklich wird ab jetzt und sofort, wer positiv denkt, stur an den Lottogewinn glaubt und das Wort Krebs nicht mehr ausspricht. Und wenn es doch nicht klappt mit dem Turbo-Glück, hilft die DVD zum Buch – Bestellzettel anbei.
Für ganz hartnäckige Fälle – das sind wir leider fast alle – verkaufen Meisterin und Meister in ihrer umfassenden Menschenliebe sündhaft teure Seminare an exotischen Kraftorten, komplett mit biodynamischer Vollpension, Palmen und weißen Stränden.